Rudolf Oechtering ist Geschäftsleiter bei dem Schweitzer Standort Boysen + Mauke in Hamburg. Er leitete die Azubiwoche 2018 in Berlin. Das folgende Interview gibt einen Einblick in die Sicht der Geschäftsführung auf die Ausbildung bei Schweitzer.
Frage: Wie sieht ihre berufliche Laufbahn aus? Wie sind sie zu Schweitzer gekommen und welche Laufbahn haben Sie im Unternehmen Schweitzer Fachinformationen hinter sich?

R. Oechtering: Ich habe 1984 in Bonn bei Behrendt meine Buchhandelsausbildung begonnen; damals wie heute eine Universitätsbuchhandlung. So habe ich von Beginn an mit Fachmedien zu tun gehabt; das hat geprägt.
1990 bin ich nach Münster zu Poertgen-Herder gewechselt und habe dort die juristische Fachabteilung aufgebaut. Da habe ich als sogenannter Etagenleiter der Fachbuchetage auch erste Führungsaufgaben übernommen.
Ende 1996 bin ich dann nach Hamburg gekommen und habe bei C.Boysen das juristische Fachsortiment geleitet. Nach Prokura und Einstieg als Mitgesellschafter bin ich mit Verkauf von Boysen an Schweitzer seit 2008 Geschäftsleiter bei C.Boysen und Mauke & Schweitzer geworden. Zunächst in beiden getrennten Unternehmen, dann nach der Fusion 2009 auch bei Boysen + Mauke.
Frage: Sie nehmen sich das Thema Ausbildung bei Schweitzer sehr zu Herzen. Seit wann setzen Sie sich in besonderer Weise dafür ein?
R. Oechtering: Eigentlich schon immer; das hängt sicher damit zusammen, dass meine Ausbildung bei Behrendt hervorragend war und mich sehr geprägt hat. Ich wurde von Beginn an gefordert, der Lohn dafür war viel Vertrauen und Verantwortung.
Frage: Warum setzten Sie sich für das Thema Ausbildung ein?
R. Oechtering: Da gibt es drei überragende Motivationen.
Zunächst ist es für Schweitzer unerlässlich, die Ausbildung ernster zu nehmen. Schweitzer hat ein Durchschnittsalter bei den Mitarbeitern von über 50 Jahren; es ist also absehbar, dass uns in naher Zukunft Fachkräfte fehlen werden. Da wir aber bei Schulabgängern (meist Abitur) in einem immer stärkeren Wettbewerb mit anderen Berufen stehen und vor allem mit den Studienangeboten der Universitäten, müssen wir uns deutlich mehr anstrengen, guten Nachwuchs für die Firma zu finden und an uns zu binden.
Dann ist es so, dass der Ausbildungsrahmenplan zum Buchhändler schon lange nicht mehr die Anforderungen von Schweitzer abdeckt; da ist weiter der klassische Sortimentsbuchhandel mit Ladengeschäft und B2C im Fokus. Das ist nicht unser Tagesgeschäft. Daher müssen wir neben den vorgegebenen Ausbildungsinhalten die für Fachmedienhändler wichtigen Themen in die Ausbildung bringen; an jedem Standort.
Und schlussendlich gilt immer noch: Buchhändler ist ein großartiger Beruf! Ich habe es jedenfalls noch keinen Tag bereut, in dieser Nischenbranche gelandet zu sein.
Frage: Wie hat sich die Ausbildung bei Schweitzer im Laufe der Jahre verändert? Wie sah die Ausbildung aus, als sie bei Schweitzer angefangen haben?
R. Oechtering: Grundsätzlich gar nicht so verschieden. Auch ich habe in meinem Ausbildungsbetrieb die Fachabteilungen durchlaufen:
Zeitschriften, Fortsetzungen, Wareneingang, Laden, Import.
Nur eine Marketingabteilung gab es nicht und die Vertriebsabteilung bestand aus Manfred Herbert, meinem Chef und dem Inhaber von Behrendt.
Zum Ende meiner Ausbildung kamen die ersten CD-ROM und Disketten auf den Markt: Entscheidungen des BGH (Bundesgerichtshofs) bei Heymanns; ansonsten existierten E-Medien nicht.
Neben den klassischen Buchhandelsprodukten sind jetzt E-Medien in unterschiedlichsten Formaten ganz selbstverständlich, und machen inzwischen rund 20% des Gesamtumsatzes bei Schweitzer aus.
Auch elektronische Beschaffungsprozesse haben damals keine Rolle gespielt; das ging schriftlich oder telefonisch. In den 90er kam das Fax (große Revolution – ehrlich), E-Procurement ist seit Anfang der 0er-Jahre dazu gekommen. Alles Themen, ohne die Ausbildung heute undenkbar wäre.
Frage: Was sehen Sie heute als Standards einer Ausbildung an? Was macht Ihrer Meinung nach eine gute Ausbildung aus?
R. Oechtering: Das kurz zu beantworten ist schwierig, weil die Anforderungen so vielfältig geworden sind. Aber es gibt einige übergeordnete Fähigkeiten, die Ausbildung lehren und trainieren sollte.
Natürlich ist gutes Fachwissen in den Kernbereichen Abonnement, Buch, E-Medien unverzichtbar. Dazu sind zusätzliche Kompetenzen gekommen; Vertrieb in allen Facetten, also von Anbahnung, über Angebotserstellung bis zu Verhandlungsführung und Abschluss sind heute entscheidend für den Erfolg von Schweitzer; und die Aufgaben im Kundenservice sind heute vielfältiger und umfangreicher, als dass früher der Fall war. Das muss auch in der Ausbildung neu gewichtet werden, daraus ergeben sich die Standards von Ausbildung. Darüber hinaus erwarten Azubis heute andere Arbeitsweisen, möchten mehr Gestaltungsmöglichkeiten und fordern schneller mehr Verantwortung. Das alles ist prima, und gehört zu einer guten Ausbildung dazu. Darauf müssen wir uns in den Einzelunternehmen von Schweitzer einstellen und die Ausbildungsinhalte immer wieder neu justieren.
Frage: Welche Eigenschaften sollte ein Azubi der sich im Fachbuchhandel bewirbt mitbringen?
R. Oechtering: Buchhandel ist keine Raketenwissenschaft, auch unser Geschäft als Fachinformationshändler nicht. Daher braucht es keine besonderen fachlichen Vorkenntnisse.
Was jemand aber auf jeden Fall mitbringen sollte?
Begeisterung für unsere Produkte.
- Neugier auf sich schnell ändernde Fragestellungen.
- Beharrlichkeit und Bereitschaft wechselnd in Tagesaufgaben und einzelnen Projekten zu arbeiten; und das immer wieder neu.
- Na, und ohne die Fähigkeit im Team zu Lösungen zu kommen, wird es auch nicht gehen. Kommunikation ist da das Schlüsselwort.
Frage: Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit jungen Menschen in der Ausbildung?
R. Oechtering: Bereichernd; das Bild von uninteressierten und ewig-daddelnden jungen Menschen kann ich nicht bestätigen. Gleichzeitig erlebe ich bei unseren Azubis einen großen Respekt vor der Erfahrung und dem Know-How der „Alten“ im Unternehmen. Kurz und gut: Läuft ganz erfreulich!!
Frage: Die diesjährige Azubiwoche im April war anders als zuvor. Sie haben weniger frontal präsentiert, sondern auf freie Arbeitsweisen gesetzt. Was war das für eine Erfahrung für Sie?
R. Oechtering: Die Woche war ja auch für uns ein Experiment: Weg von Vorträgen und Inhaltsvermittlung, hin zu Kreativität und „Laufen lassen“; an die Azubis glauben, dass die das schon machen.
Ergebnis: Hat wunderbar geklappt.
Ich bin sehr gespannt auf die Arbeitsergebnisse und die weitere Zusammenarbeit!!
Frage: Gibt es Punkte zum Thema Ausbildung, die aktuell im Wandel stehen oder die sich in den nächsten Jahren noch ändern werden?
R. Oechtering: Sagen wir es so: Wandel ist ein stetiger Begleiter bei Schweitzer! Vielleicht ist das auch ein Punkt, der uns erfolgreich sein lässt, dass wir Wandel nicht als Bedrohung, sondern als Normalität annehmen.

Und natürlich erleben wir täglich einen massiven Wandel der Produkte, die wir als Händler verkaufen. Zudem erfordert unsere Rolle als Dienstleister (Lizenzmanagement, Beratung, Schulungen) und Anbieter eigener Produkte (Mediacenter, Zeitschrifteninhaltsdienst, Connect) neue Ausbildungsinhalte. Vielleicht auch neue Ausbildungsberufe bei Schweitzer.
Frage: In der heutigen Zeit ist Medienwandel nicht mehr zu leugnen, wie Sie eben sagten. Stellt dies einen Verlust für die Ausbildung im Fachbuchhandel dar, oder kann der Medienwandel auch neue Chance bringen? Konkret gefragt: Werden in Zukunft überhaupt noch Azubis im Fachbuchhandel gebraucht?
R. Oechtering: Ich sehe weiterhin die Buchhändlerausbildung als den für Schweitzer wichtigsten Ausbildungsberuf; auf absehbare Zeit werden wir immer noch vor allem Händler sein. Aktuell prüfen wir aber auch neue Ausbildungsberufe wie den E-Commerce-Kaufmann. Schon möglich, dass wir auch in diesem Beruf ausbilden werden.
Und schon jetzt bildet Schweitzer Kaufleute für Bürokommunikation aus; und ab 01. September haben wir erstmals einen Azubi für Marketingkaufleute.
Ich habe eingangs über die Alterspyramide gesprochen; auch ich bin ein Kandidat: Jahrgang 1963, also Tendenz 60+! Schweitzer wird schneller alt, als wir aktuell junge Mitarbeiter aufbauen können. Das sollte Ansporn für alle unsere Azubis und potentielle Bewerber sein.
Frage: Gibt es etwas, was Sie uns Azubis bei Schweitzer und anderen jungen Menschen mit auf den Weg geben möchten?
R. Oechtering: Generell gilt: Seien Sie anspruchsvoll, mit sich und mit Ihrem Unternehmen. Fordern Sie Ihre Ausbildungsinhalte aktiv ein, und bleiben Sie in ständiger Kommunikation zu Kollegen, Ausbildern und der Geschäftsleitung stehen.
Natürlich muss auch die tägliche Arbeitsleistung stimmen und die Bereitschaft für selbstständiges Arbeiten vorhanden sein. Außerdem ist es wichtig, sich Problemen und schwierigen Themen zu stellen; die Lösungen sind nicht immer einfach und naheliegend.
Solche Themen dann aber erfolgreich gemeistert zu haben, schafft große Motivation und Zufriedenheit.
Ausbildung ist ein gegenseitiges Nehmen und Geben zwischen Azubi und Unternehmen; am Ende profitieren beide, wenn die Ausbildung gut verläuft.
~ Simone ~
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